Auszug
aus der Patentschrift von Francis Melvin Rogallo
1948 / 1951
Rogallo arbeitete als junger Ingenieur innerhalb der
NACA-Windkanäle (Vorläufer der NASA) an der
Optimierung von Fallschirmen. Mit der Idee der
gänzlich flexiblen Tragfläche, die - im Gegensatz
zum Fallschirm – auch gleiten kann bereitete er den
Weg zur Entwicklung des heutigen Drachen- und
Gleitschirmfliegens. |
Rogallo-Gleitschirm
an der Küste von Kitty Hawk (USA) 1964
Aus seinem Rückführungssystem für Raketenstufen
hatte Rogallo seinen Kindern einen Gleitschirm
konstruiert. Ähnliche Schirme waren auch von den
„Golden Knights“, einer amerikanischen
Fallschirmspringergruppe, erprobt worden. Steve
Snyder hatte die Schirme zuvor für die Firmen
Pioneer und Irvin sprungtauglich gemacht.
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Gleitschirm
von David Barish (USA) im NASA-Windkanal 1965
Diese Schirme standen bei der NASA für kurze Zeit in
Konkurrenz zu Rogallos Konstruktionen. Die NASA
suchte nach einer Fläche zum Transportieren schwerer
Lasten. Rogallo, der für die NASA arbeitete, sah in
Barishs Schirmen eine Patentverletzung. Nachdem die
NASA ohnehin Rogallos Ansprüche angemessen
abgegolten hatte verzichtete er auf weitere
Schritte. Die NASA bleib bei Rogallos
Konstruktionen. |
Domina
Jalbert in seiner Werkstatt 1989
Jalbert hatte den „Amerikanischen Traum“ gelebt. Aus
Kanada mittellos eingewandert hatte er sich vom
„Tellerwäscher“ zum Unternehmer hochgearbeitet. Sein
Geschäft waren große, fliegende Werbeflächen. Der „Parafoil“
war aus der Not entstanden, bei starkem Wind eine
stabile Werbefläche zum Fliegen zu bringen. |
Jalberts
Patentzeichnung des „Parafoil“ 1964 / 1966
Basierend auf Rogallos Patent, das 1964 von der NASA
abgegolten und freigegeben worden war, konstruierte
Jalbert seinen Parafoil. Dieser „Matratzenschirm“,
der durch Steve Snyder (US-Fallschirmspringer)
sprungtauglich gemacht wurde, verdrängte innerhalb
nur eines Jahres (1969) die Rundkappe aus den Reihen
der Springereliten. |
Randonneuse
von Laurent de Kalbermatten (Schweiz) 1987
Ein Drachenkonstrukteur hatte aus der Idee des
Matratzen-Fallschirms eine wirkliche Flugmaschine
konstruiert. Die Leistungssteigerung zum
Gleitfallschirm war so enorm, dass endlich auch
flache Mittelgebirgshänge beflogen werden konnten.
Der Siegeszug des Gleitschirmfliegens war nicht mehr
aufzuhalten. |
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Geschichte des
Gleitschirmfliegens
Als "Erfinder
des Gleitschirms" gilt der frühere NASA-Ingenieur und
Wissenschaftler Francis Melvin Rogallo (geb. 27. Januar
1912). In seinem Patent von 1948 beschreibt er bereits die
Technik, wie aus Stoff und Schnüren ein Gleitschirm
konstruiert werden kann. Zusammen mit seiner Frau Gertrude
entwickelte er in den fünfziger Jahren die ersten
Gleitschirme als dreieckige Tragflächen, aus denen zunächst
Kinderdrachen, später sogar manntragende Konstruktionen
entstanden. Das Patent beschreibt auch schon die Form der
heutigen Gleitschirme mit "vorne offenen Stoffröhren, die
parallel nebeneinander angeordnet und durch den Fahrtwind
aufgeblasen eine Tragfläche bilden". Allerdings sind von ihm
keine solchen Konstruktionen bekannt geworden. Rogallos
Dreiecksflächen wurden dagegen weltberühmt und bildeten die
Grundlagen nicht nur für Gleitschirme, sondern vor allem für
die Hängegleiter, die zunächst die Gleitschirme an
Popularität deutlich überflügelten (siehe auch "Geschichte
des Drachenfliegens").
Anfang der
Sechziger testeten Rogallo und seine Kinder zwar noch einige
seiner bemannten Gleitschirme in den Dünen von Kitty Hawk,
aber vom Beginn einer Bewegung konnte keine Rede sein. Daher
sieht sich Francis Rogallo weder als der Erfinder des
Drachenfliegens, noch als der Erfinder des
Gleitschirmfliegens. Er ist jedoch sehr stolz darauf, der
erste Mensch zu sein, dem es gelang, eine gänzlich flexible
Tragfläche zu bauen, wie sie nicht einmal in der Natur zu
finden ist.
Der Amerikaner
David Barish und der aus Kanada in die USA eingewanderte
Domina Jalbert dürfen als die eigentlichen "Väter des
Gleitschirmfliegens" angesehen werden.
Beide kannten
Rogallos Ideen und Patente, denn dessen Gleitschirm- und
Drachenkonstruktionen waren seit den fünfziger Jahren in
vielen Zeitungsartikeln und wissenschaftlichen Publikationen
der amerikanischen Weltraumbehörde NASA veröffentlicht
worden.
Barish hatte
bereits 1964 im Rahmen neuer Fallschirmentwicklungen für die
Raumfahrt, mit denen er kurzzeitig in Konkurrenz zu Rogallos
Flügeln stand, einen dreikieligen, rechteckigen Gleitschirm
konstruiert, aus dem er gezielt eine 5-kielige Form
entwickelte, um damit Gleitflüge nach Fußstarts vom Berg
durchzuführen.
Obwohl in der
Grundform sehr ähnlich, hatten Rogallo und Barish unabhängig
voneinander fast gleichzeitig ein Sportgerät entwickelt und
erprobt. Allerdings gebührt Barish das Verdienst, seine
Fluggeräte nicht nur entwickelt, sondern auch ausgiebig
selbst geflogen zu haben. Bereits 1966, ein Jahr vor dem
Bergflug-Debüt von Jalberts "Parafoil" durch den Engländer
Walter Neumark, propagierte David Barish mit seinem Sohn
mittels öffentlicher Vorführungen in Skigebieten sein "Slope
Soaring" als neue Sportart und Touristenattraktion, die u.
a. Skiliften zu einem Sommergeschäft verhelfen könnte.
Allerdings
blieb das Echo sehr verhalten. Die Zeit schien noch nicht
reif für eine solche Erfindung oder gar Bewegung. Erst in
den siebziger Jahren, nach mehreren Veröffentlichungen von
Dan Poynter, einem amerikanischen Piloten und Journalisten,
drang "Slope Soaring" (Gleitsegeln) in das Bewusstsein einer
etwas größeren Öffentlichkeit.
Für viele ist
David Barish daher der erste wirkliche Gleitschirmflieger im
Sinne unseres Sports.
Erfolgreicher
als Rogallos und Barishs Schirme wurde nur wenig später der
ebenfalls auf einem Patent von Rogallo beruhende
"Matratzenschirm" von Domina Jalbert. Dabei hatte Jalbert
zunächst überhaupt nicht an die Verwendung als Gleitschirm
gedacht. Sein Geschäft waren große Werbeflächen auf
Ballonen, Luftschiffen und, bei stärkerem Wind,
schnurgefesselten Drachen.
Es war die
unermüdliche Suche des amerikanischen Fallschirmspringers
Steve Snyder nach besseren Fallschirmen, die ihn von
dreieckigen Rogallo-Schirmen (der Firmen Irvin und Pioneer)
zu Jalbert brachte.
Snyder ist es
zu verdanken, dass aus einer Werbefläche ein Sportgerät
wurde, das innerhalb nur eines Jahres (1970) den
Rundkappenschirm aus den Reihen der Springerelite verdrängte
und dem Flächenschirm zum Siegeszug um die ganze Erde
verhalf.
Aber immer noch
war keine Gleitschirmflieger - Bewegung entstanden. Barish
hatte die Idee vorgegeben - ohne nachhaltigen Erfolg.
Jalberts Parafoil hätte die leistungsfähigere Fläche werden
können, doch die Fallschirmspringer dachten gar nicht daran,
von einem Berg zu fliegen. Wozu auch. Das Drachenfliegen
hatte schon längst seinen Siegeszug begonnen. Und wenn sich
doch einmal ein Fallschirmspringer von einem Berg wagte (wie
z. B. Heinz Fischer oder Hartmut Huber vom Tegelberg) gab es
nur Hohngelächter der Drachenflieger wegen der miserablen
Gleitleistung im Vergleich zum Hängegleiter.
Es wäre zu
umfangreich, hier alle Entwicklungen und Personen zu nennen,
die sich in der Folgezeit mit der Gleitschirmentwicklung
befassten. Am bekanntesten dürften wohl die in der Schweiz
lebenden deutschen Brüder Strasilla sein, die zusammen mit
Andrea Kuhn (Schweiz) aus Schleppschirmen ein eigenes
Gleitschirm-Patent entwickelten (Skywing). In Deutschland
ist es Dr. Fritz Dolezalek, Freunde nennen ihn Daniel
Düsentrieb, der die meisten Patente auf
Gleitschirmkonstruktionen erhielt und viele Jahre auch sein
eigener Testpilot war.
Erst 1978 kommt
deutlich mehr Bewegung in den Gleitschirmsport. Die
französischen Fallschirmspringer Jean Claude Béttemps und
Gérard Bosson wollen sich für ihre Ziellandeübungen die
hohen Ausgaben für das Flugzeug sparen und starten von einem
steilen Berg. Schnell findet dieser Spaß Nachahmer in ihrem
Club, und die ersten Flugschüler stehen vor der Tür. Formlos
wird das Gleitschirmfliegen vom französischen
Hängegleiterverband aufgenommen und wie Drachenfliegen
behandelt.
In Mieussy,
nahe der schweizerischen Grenze, entsteht in kurzer Zeit ein
Gleitschirm-Zentrum mit Flugschule und Infrastruktur. Auch
die Schweiz wird infiziert von dem neuen Virus. Selbst
langjährige Drachenflieger finden Gefallen an dem neuen
Sport. Laurent de Kalbermatten, Drachenflieger und
Konstrukteur aus der Schweiz, konstruiert seine legendäre "Randonneuse"
mit fast doppelter Gleitleistung als die bisherigen
Flächen-Fallschirme. Jetzt können auch flachere Hänge
beflogen werden. Der Siegeszug des Gleitschirmfliegens ist
nicht mehr aufzuhalten.
In Deutschland
wird 1987 das Gleitschirmfliegen offiziell vom
Bundesverkehrsminister anerkannt und in die Obhut des
Deutschen Hängegleiterverbandes (DHV) gegeben.
Heutige
Gleitschirme sind elliptische Tragflächen von 20 bis 30 qm,
deren Kammern im Flug durch Staudruckluft gefüllt und
versteift werden. Verbunden ist der Pilot mit dem Gleitsegel
durch die von der Segelunterseite herablaufenden Fangleinen
und das Gurtzeug.
Der Gleitschirm
wird durch eine rechte und linke Steuerleine, die den
Gleitschirm einseitig abbremsen, gesteuert. Gleichzeitige
Betätigung beider Steuerleinen vermindert die
Fluggeschwindigkeit. Die Gleitleistung moderner Gleitsegel
liegt bei ca. 1: 8, die Höchstgeschwindigkeit bei 55 km/h.
Die normale Fluggeschwindigkeit beträgt 37 km/h. Ebenso wie
beim Drachen sind stundenlange Thermikflüge und
Streckenflüge von über 100 km an der Tagesordnung. Der
Rekord liegt bei 423 km durch den Kanadier William Gadd, in
Zapata, Texas im Jahr 2002. |